VORWORT
IDEAL IN DEN ZEITEN DES UKRAINE-KRIEGS, DES KLIMAWANDELS, DER CORONA-PANDEMIE – DIESE WORTE GEBEN KRAFT UND HOFFNUNG!
VERKÜNDIGUNG VON GOTTES WORT DURCH DIE PREDIGTEN DES HOFFNUNG GEBENDEN PFARRERS ELMAR GRUBER
Predigten zu den Sonn- und Feiertagen nach Lesejahren A / B / C – seit dem 1. Advent 2024 (01. Dezember 2024) ist Lesejahr C.
Immer die aktuelle Predigt!
Inspiration für alle Seelsorgerinnen und Seelsorger bei der Erstellung ihrer Predigten und alle Gläubigen und Interessenten!
Auch als Predigt-Vorlagen!
Herr Pfarrer Elmar Gruber hat seine Predigten immer vollkommen frei gehalten, also ohne jegliche schriftliche Unterlagen.
Die Predigten wurden von einer gläubigen Frau während der entsprechenden Gottesdienste mit Einverständnis von Pfarrer Elmar Gruber privat auf Cassette aufgenommen und danach von ihr aufgeschrieben. Sie dachte sich, jedes Wort von Elmar Gruber ist wichtig – das gehört für die Nachwelt erhalten.
Danke, Helga! Ohne Dich hätten wir diese Predigt-Schätze nicht!
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4. Sonntag der Osterzeit C –
11. Mai 2025
Predigt von Pfarrer Elmar Gruber am 03. Mai 1998
- Lesung: Apg 13, 14.43b-52 „Da Ihr Euch des ewigen Lebens unwürdig zeigt, wenden wir uns jetzt an die Heiden:“
- Lesung: Offb 7, 9.14b-17 „Das Lamm wird sie weiden und zu den Quellen des Lebens führen.“ Evangelium: Joh 10, 27-30 „Ich gebe meinen Schafen ewiges Leben.“
Ich begrüße Sie herzlich zum 4. Sonntag in der Osterzeit, zum „GUTEN HIRTEN-SONNTAG“! Wenn man von heilenden Gottesbildern spricht, wird man an erster Stelle das Bild vom „Guten Hirten“ nennen müssen. Wir brauchen immer wieder das Erbarmen Gottes, damit wir die Bilder und die Botschaft von SEINEM Erbarmen mit dem Herzen aufnehmen können.
Darum bitten wir im Kyrie.
Predigt:
Liebe Schwestern und Brüder!
In den knappen Texten des heutigen Sonntags sind uns die klaren Konturen gegeben, das „Bild vom Guten Hirten“. Wir werden vielleicht ein ganzes Leben lang nicht fertig, um das alles auszumalen, um immer wieder neue Tiefen zu entdecken, die uns ergreifen können.
Als Erstes wird uns der Gute Hirte gezeigt als das Lamm, das die anrührt, die aus der Bedrängnis kommen. Also der Hirte wird als das Lamm Gottes dargestellt, der durch die Hingabe des Lebens, aus bedingungsloser Liebe, Hirte geworden ist. Also die Hirtenkraft Jesu besteht in SEINEM Lamm-Gottes-Dasein. Eine Stelle sagt auch, dass das die sind, die aus der Fremde kommen. Die Bedrängnis des Menschen ist ja die Fremde, die Entfremdung. Und so könnten wir hier auch voll und ganz die Lehre des Marxismus übernehmen, der die Not des Menschen in der doppelten Entfremdung beschreibt. Der Mensch ist einmal sich selbst entfremdet und Anderen gegenüber und zum Zweiten der Schöpfung gegenüber. Aber die Lösung, die der Marxismus bietet, ist eine völlig entgegengesetzte Lehre im Vergleich zu der Lehre, die uns der Glaube schenkt. Der Marxismus sagt: „Die Entfremdung zur Natur wird überwunden durch die Arbeit, und die Entfremdung dem Menschen gegenüber wird überwunden durch den Klassenkampf.“ Aber, dass das nicht geht, hat die Geschichte gezeigt.
Jesus sagt: „Ich kenne die MEINEN.“ Alle Not kommt ja vom Nicht-Erkennen-Können, also vom Verkennen und vom Nicht-Erkannt-Sein vom Verkannt-Sein. Das geht schon im praktischen, äußeren Bereich an. Wohl alle haben schon mal erlebt, wie schrecklich es ist, wenn man plötzlich von einem alten Menschen, der einem nahegestanden ist oder nahesteht, nicht mehr erkannt wird. Ich hatte eine alte Tante, die mit 98 Jahren gestorben ist. Und sie hat achtzehn Jahre lang ihre eigenen Kinder nicht mehr erkannt. Das ist dieser äußere Bereich, wenn ich spüre, dass der ja nicht mehr weiß, wer ich bin – und wenn es dann noch die eigene Mutter ist, der Mensch, bei dem man sich am meisten erkannt gefühlt hat! Es gibt ein Wort, und das heißt VERSTEHEN. Und man muss genau darauf achten: Alles zu verstehen heißt bei weitem nicht, allem zuzustimmen, sondern alles zu verstehen heißt, in einem hohen Grad alles zu erkennen. Und praktisch jede Eheberatung geht so an: „Ja, wissen Sie, meine Frau/mein Mann versteht mich nicht mehr.“ Warum fühle ich mich nicht mehr verstanden? Es ist dies ein gegenseitiges Missverstehen. Und woher kommt das, die ganze Not des Verkennens und des Verkannt-Seins? Das kommt von der Sünde. Das Wesen der Sünde, wir können es mit einem Wort sagen, ist das Alles-Immer-Besser-Wissen- besser wissen als Gott, selbst wissen, was Gut und Böse ist. Weil wir immer alles besser wissen, kommt es zu den Urteilen und zu den Verurteilungen – viel mehr noch das Übertragen. Ein kleines Beispiel dafür: Ich kenne jemand, das kann man verallgemeinern, da ist es die große Not, dass sich der Mensch immer gleich narzisstisch beleidigt, gekränkt, fühlt und verletzt fühlt. „Ich bin verletzt!“ Jetzt kommt dieser Mechanismus: „Ja, ich weiß, da will mich jemand verletzen.“ Da ist aber gar niemand da! „Der will mich absichtlich verletzen!“ Und schon wird er verurteilt und seelisch hingerichtet. Und dann bekommt der Mensch das plötzlich in Augenschein und fragt: „Ja, was ist denn los? Ich weiß ja gar nichts. Ach so, weil ich Dir zum Geburtstag eine Karte geschrieben habe und keinen Brief.“ Da liegt die Not des Verkennens, des Verurteilens, des Verkannt-Seins – oder wie ein Berufskollege gesagt hat: „Ich kann nur die Kritik annehmen, die ich richtig finde. Ich will niemand kränken, und wenn jemand gekränkt ist, dann ist er selbst schuld.“ Da ist kein Erkennen mehr möglich, wenn jemand sagt, dass er selber bestimmt, ob die Kritik richtig ist.
Wenn man als Seelsorger gefragt wird, wie man das sieht, sage ich: „Ich habe den Eindruck, so wie Sie es schildern, dass Sie da einen Fehler machen, absolut weiß ich es nicht.“ Und dann fühlt sich der Mensch verstanden und nicht gleich verurteilt. Und wenn sich einer nur ein wenig verstanden fühlt, ein bisschen erkannt fühlt in seiner Not, dann hört er: „Meine Schafe hören auf mich.“ Das ist, weil sie sich von IHM erkannt und nicht verkannt, sondern erkannt fühlen; und dem folgen sie auch. Wenn Sie dann noch sagen können, Sie kennen mich besser als ich mich selber kenne, da folgen Sie gerne, obwohl folgen nicht heißt, ‚blind das zu tun, was ein Anderer vorschlägt, sondern da ist das Vertrauen auf einmal da. Und das ist eigentlich das, was das Bußsakrament eigentlich wäre und warum das Bußsakrament in der Praxis so verkommen ist, weil die Menschen verurteilt und nicht erkannt werden. Da habe ich auch einmal mit einem Kurskollegen gestritten. Er sagte: „Der Weg zum Psychotherapeuten ist der falsche Weg, der muss das Bußsakrament empfangen.“ Da sagte ich: „Aber, wenn der Psychotherapeut ein gläubiger, erfahrener Mensch ist, wenn der Mensch sich da verstanden und erkannt fühlt, dann hat er da Vertrauen, und dann ist der Gute Hirte eben dort anwesend, der ihn erkennt.“ Die Fähigkeit, Menschen wahrhaftig zu erkennen, ist – ich sage es ganz kurz – ein Geschenk der Liebe, ein Geschenk des Glaubens. Ich darf Ihnen persönlich sagen, dass ich vor allen Gesprächen immer um den Heiligen Geist bitte: „Sende Deinen Geist, damit ich den Anderen möglichst richtig erkenne, bevor ich urteile!“ Mein Urteil muss nicht immer einfließen in den Anderen.
Oft wird gesagt: „Wenn ich jetzt so wäre wie der Andere, dann bedeutet dies das und das.“ Oft muss ich hart sein und sagen: „Ja, der Andere ist anders, er denkt anders, er fühlt anders, er hat eine andere Lebensgeschichte, Du kannst nicht Dich in die andere Lebenssituation hineinprojizieren und ihn dann so verurteilen wie Du mit der Situation umgehen tätest.“ Da kommen wir in die Tiefe unserer ganzen Lebensprobleme: Vorsichtig werden im Urteilen! Und das ist vielleicht auch die Sünde von unerfahrenen, ungläubigen Psychologen, dass sie meinen, sie wissen alles. Sie wissen vielleicht viel, aber nicht alles. Und auch die Meinung von Leuten, dass der Psychologe alles weiß, als ob der Mensch ein Mechanismus wäre wie ein Automotor, wo man alles durchmessen kann. Aber es gibt einen, der kennt SIE genau, wo sie nie Angst zu haben brauchen, dass Sie falsch beurteilt oder verurteilt werden- Gott!
Jetzt kommt noch der andere Teil: Wie kommt der Mensch zur Lüge? Aus Angst! Wir kennen die wirkliche Notlüge. Aber ich glaube auch, dass die Lüge, die verbrecherische Lüge, die den Anderen betrügt, dass die ja auch vielleicht in einem tieferen Sinn eine Notlüge ist, weil er Angst hat, zu kurz zu kommen im Leben, bzw. verkannt zu werden. Dann aber kann prompt kommen: „Du lügst, ich habe Dich bei einer Lüge ertappt.“ Dann sage ich: „Ich habe ehrlich gelogen, weil ich so viel Angst vor Dir habe, wenn wieder dieses Verurteilen ausbricht.“ Wieviel Not hat es mit Menschen, die mit Anderen zu tun haben, weil sie verurteilt, verkannt werden! Wie viele Priester werden in der Seelsorge sofort verurteilt, bevor man alles weiß? Priester können dann die ganze Freude verlieren und sauer werden. Keine Freude an Gott mehr haben, und das ist sehr tragisch! Ein Beispiel: Ich habe einmal so etwas erlebt. Der betreffende Priester ist schon lange bei Gott. Er wurde von seiner Gemeinde verurteilt. Er war auch selbst so ein unglücklicher Mensch. Er hat den Bodensatz eines lustlosen Lebens in tückischen, wohlabgewogenen Dosen an seine Gemeinde verteilt. Und dann bricht er auf einmal in Tränen aus und sagt: „Ich möcht doch, dass Ihr alle mit mir in den Himmel kommt.“ Und das war echt! Und von dieser Stunde an hat ihn die Gemeinde angenommen, dass bei aller Not des Verkennens und Verkannt-Seins dann doch irgendwo das durchbricht, was eben das Wesen des Guten Hirten ausmacht.
Und so meine ich, dass wir bei aller Not, die wir auch in der Kirche haben, den Glauben an den Guten Hirten hochhalten müssen, dass wir auch immer das Gute suchen. Und bei all unserem Urteilen und Verurteilen sollten wir ein Wort dazusetzen: „Möglicherweise, wahrscheinlich, ist es aber auch ganz anders.“
Noch ein Letztes: Ich bin bei einer Tagung wieder gefragt worden, woher ich die Sicherheit nehme, dass im letzten kein Menschenschicksal bei Gott scheitert. Es ist für mich undenkbar, dass ein Mensch ewig verdammt ist. Dann werde ich gefragt: „Ja, wo steht das in der Bibel?“ Dann antworte ich: „Ich habe es gerade vorgelesen: Niemand kann sich meiner Hand entreißen.“ Und dann steht auch bei Paulus im Römerbrief: „Dann werde auch ich erkennen, wie ich erkannt bin.“ Also es wird alles offenbar – meine Schuld, aber auch die ganze Verstrickung, wo die Tragik der Verstrickung in der Schuld liegt, was alles aus dem Verkannt-Sein jetzt hervorgegangen ist an Bösem, an Nicht-Erkennen-Können, Noch-Nicht-Erkennen-Können.
Ich kann mir denken, dass wenn wir das alles sehen, jetzt in dem Lichte des allerbarmenden Gottes, dann werden wir alle schreien: „Herr, erbarme Dich!“ Und wir werden alle in der Betroffenheit dieser Erkenntnis offen sein für die große Bekehrung des Erbarmens Gottes, wo Gott alles richtet, wo wir alle dann erkennend sind und eben als Erkennende durch und durch barmherzig werden.
- Lesung: Nehemia 8, 2-4.5-6.8-10
- Lesung: 1 Korinther 12, 12-30
Evangelium: Lukas 1, 1-4;4, 14-21
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Ich begrüße Sie herzlich zum 3. Sonntag im Jahreskreis! In der Lesung weist uns der Apostel Paulus darauf hin, dass wir alle E I N E R sind, der Leib Christi, jeder mit seinen Fähigkeiten, mit seinen Gaben, die Aufgaben sind.
Im Evangelium zeigt uns Lukas sein Anliegen, warum er das Evangelium geschrieben hat und auch, was die Sendung Jesu eigentlich ist.
Predigt:
Liebe Schwestern und Brüder!
Das Evangelium heute greift eine schwierige Situation auf, die wir gerade in unserer Zeit wieder vorfinden:
Woher bekommen wir die Gewissheiten unseres Glaubens? Wo finden wir sie? Wir werden feststellen, dass wir, die wir noch Vorstellungen haben wie vor fünfzig Jahren, umdenken müssen, um die eigentliche Botschaft, das Eigentliche, was Jesus gebracht hat, nicht zu verlieren.
Es geht hier um die historische Zuverlässigkeit der Berichte über das Leben Jesu. Da sagt uns die heutige Wissenschaft, dass wir über die praktisch historische Zuverlässigkeit im Neuen Testament nichts finden. Wie ich im Studium war, da war die große Problematik, ob es Jesus überhaupt gegeben hat, ob wir nicht nur den Jesus des Glaubens, den literarischen Jesus haben; das ist überwunden. An der historischen Wirklichkeit Jesu zweifelt heute niemand.
Aber, wer war dieser Jesus?
Historisch gesehen war ER wohl mehr als nur dieser Ausschnitt, den uns die Evangelien zeigen.
Die Sprachforscher, die aramäisch, jüdisch, hebräisch beherrschen, die sagen, das Thomasevangelium ist eines der ältesten Schriften, es zeigt uns Jesus als Weisheitslehrer, der in Sequenzen, in Versen gesprochen hat, die man auswendig lernen kann, damit SEINE Jünger SEINE Lehre weitergeben können.
Als ich vor ca. dreißig Jahren den Auftrag bekam, diese neuen biblischen Ergebnisse der Lehrerschaft, die Religionsunterricht geben, zu vermitteln, war das äußerst schwierig.
„Ja, wenn das alles nicht mehr stimmt, wenn das Jesus nicht wortwörtlich gesagt hat, ja dann geben wir keinen Religionsunterricht, keinen Bibelunterricht mehr. “
In meiner Kinderzeit hat man noch gelernt, dass den Jonas der Walfisch gefressen und dann wieder ausgespuckt hat. Das ist mir zum Verhängnis geworden, weil ich das so nicht glauben konnte, dass Jonas, der im Bauch des Walfisches war, das Beten angefangen hat. Doch mir hat der Religionslehrer – ich habe ihm längst verziehen – gesagt: „Das musst Du glauben, das ist Wort Gottes. Wenn Du das nicht glaubst, dass der Walfisch den Jonas gefressen hat und dass der im Bauch gebetet hat und dann nach drei Tagen wieder ans Land kam, dann hast Du eine Todsünde.“
Ich habe es immer wieder gebeichtet, weil ich den Jonas nicht glauben konnte. Dann habe ich im Lexikon auch noch gelesen, dass der Walfisch so einen engen Schlund hat wie ein Mensch, dass da kleine Krebse durchgehen können, aber nie ein unzerkleinerter Prophet.
Und der Beichtvater hat gesagt: „Wenn Du das nicht glaubst, kann ich Dir nicht mehr die Absolution erteilen“ (in welchen Zwängen muss der gewesen sein). Das war für mich Verdammung; ich habe den Jonas nicht glauben können.
Dass das eine Lehrgeschichte ist, wo man sagen muss: Stell dir das mal vor, da musste ein Prophet lernen, dass Gott die Leviten auch mag, dass ER jeden mag, der sich bekehrt und liebend wird, bildlich gesprochen, dass er einen Prozess durchmacht, verschlungen wird, dann in die Finsternis, ins Unheil kommt, bis er dann geläutert durch diese Prozesse kapiert, dass Gott die Liebe ist – eine wunderbare Geschichte.
Ein Kurskollege von mir hat seine Probekatechese gehalten über den Jonas und hat in diesem Sinn gesprochen, und das war vor 40 Jahren. Dann haben die Professoren einen Rat abgehalten, ob man ihn als Ungläubigen entlassen müsste. Aber er ist heute noch ein sehr aufgeschlossener Priester und Pfarrer.
Und so ist es heute das Eigentliche, das Tiefe, das Innere, das Unvergängliche, das uns in diesen Sinngestalten nahegebracht wird. Wenn uns das aufgeht, dann ist es nicht mehr wichtig, ob es genauso historisch geschehen ist wie es da steht.
Und jetzt kommt Einer und sagt, bei Lukas steht doch genau: „Ich habe mich entschlossen, allem von Anfang an nachzuforschen, um es der Reihe nach aufzuschreiben, und so kannst du dich auf mich verlassen.“ Es waren Überlieferungsstücke, Erzählungen, Erinnerungen, und jeder, der ein Buch schreibt, der braucht eine Gliederung, wie er alles zusammenbaut, damit der Leser möglichst gut auf das Eigentliche kommt.
Und was aber Lukas zeigen möchte, geschieht im Innern des Sprachlichen, wo der Prophet sagt: „Er hat mich gesandt, um den Armen die Heilsbotschaft zu bringen, um den Gefangenen (das sind die Eingesperrten, die mit sich und anderen innerlich und äußerlich Eingesperrten) die Freiheit zu bringen, den Blinden das Augenlicht (der Durchblicke eröffnet, der Zusammenhänge vermittelt, der möglich macht, alles einzuordnen, der es möglich macht, mit seinem Leben mit den vielen Rätseln zu leben und umzugehen und einfach, der die Zerschlagenen, die Kaputten wieder richtet, repariert).“ Das will er zeigen.
Man hat auch zur Zeit Jesu gedacht, der Messias müsste politisch sein, wie David, so wie David es für kurze Zeit fertiggebracht hat, ein Friedensreich aufzubauen. Jesus soll die Römer vertreiben, ER soll die Herrschaft, das Etablissement der Schriftgelehrten und Pharisäer, durchbrechen. Auf dieser Ebene, irdisch gesehen, ist Jesus total gescheitert. Und nun sagen heute auch die Wissenschaftler, wollte man die Glaubensgewissheit auf historische Daten festlegen, dann würde das Christentum das dritte Jahrtausend nicht überstehen. Würde man nicht sozusagen die inneren Wirklichkeiten, das, was Jesus uns bedeutet, das Unvergängliche in die Gegenwart bringen, dann könnte es uns im Leben auch nicht mehr tragen. Dann sind wir dauernd mit unserem Glauben dem Streit der Wissenschaftler ausgesetzt, die heute das reden und morgen was Anderes, dann muss man sich in einem Jahr ein paarmal umstellen.
So kommt jetzt ein Wort – da ist das Entscheidende drin, wenn Lukas schreibt:
„Jesus kehrte von der Kraft des Geistes erfüllt zurück.“
Das ist SEINE innere Erfüllung mit Gott, mit der Botschaft von der Liebe Gottes. Und so zeigt uns gerade Lukas Jesus als den Heiland der Armen, der in der Kraft der Liebe verbindet und offenbar macht, wie die Menschen befreit und erlöst werden können.
Wenn wir die frohe Botschaft als Lebenskraft erfahren wollen, als eine Kraft, die uns im Leben trägt, auch wenn äußerlich alles schiefgeht, die uns trägt in der Krankheit, durch die Krankheit, in der Armut und in unserer Schuld, in unserer Zerrissenheit, unserer Schwachheit, wenn das aufgeht, in unserem ganzen Bewusstsein aufgeht, dann trägt es unser Leben.
Nun kommen wir wieder auf das, worum wir uns ja dauernd bemühen:
Gott liebt dich immer, bedingungslos, unverlierbar, und die Anderen auch.
Und das ist die Fülle der Zeit, die Erfüllung unserer Sehnsucht, die auch, wie Augustinus sagt, als unerfüllte Sehnsucht in jedem Menschen verborgen ist. Das, wonach du dich sehnst, das gab es immer und das gibt es, und darum ist Gott Mensch geworden, damit das ganz menschlich sichtbar und erfahrbar wird.
Hängt euch doch nicht fest an dem Äußeren, das sind Vorstellungshilfen, damit das Innere aufgehen kann und euch tragen kann; das ist eben Mystik. Und das meint das viel zitierte Wort von Karl Rahner: „Der Christ der Zukunft wird Mystiker sein oder er wird nicht mehr sein.“
So versteht es auch Jesus, er zitiert Jesaja: „Er hat mich gesandt, um den Armen die Heilsbotschaft zu bringen.“ Und wenn Jesus sagt, das ist heute in Erfüllung gegangen, das mag vielleicht anmaßend klingen, aber es heißt, IHM ist bewusst, das, was ER zu bringen hat, ist kein menschliches Fabrikat, sondern das ist IHM gegeben, das ist die Kraft des Geistes.
„Der Geist des Herrn ruht auf IHM“, d.h., was ich euch sage, das ist mein Auftrag. Und so müsste eigentlich jedem Religionslehrer, Priester, Pfarrer bewusst sein, dass er nicht seine eigenen Aggressionen oder Probleme auszuschütten hat, wenn er von Gott redet, sondern dass er das, was der Geist durch Jesus geoffenbart hat, zu vermitteln hat so gut es geht, so dass ich ganz ehrlich sagen müsste, ich will ja nicht meine Weisheit vortragen, sondern das, wovon ich sagen kann, das trägt mein Leben, ich bin davon überzeugt. Dann kommt der Einzelne dazu, der aus seiner Lebenserfahrung heraus sagen kann, so wie Paulus einfach sagt: „Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch überliefert habe“ – es ist nicht mein Gebilde, was ich weitergebe.
Dass das sichtbar wird, dass es nicht so schwierig ist, ein kleines Beispiel:
Es ist ein Beispiel, wie eine Legende tiefste Wahrheit enthält. Mir hat bei einer Tagung jemand erzählt von einer Weihnachtspredigt. Eine ganz kurze Geschichte, in der alles gesagt ist, was Jesus bringt. Das ist die Geschichte, die Geschichte vom Wolf, der das Jesuskind fressen wollte:
Es ist die Heilige Nacht auf den Fluren von Bethlehem: Die Herrlichkeit des Herrn strahlt auf sie, und der Wolf kommt wie jede Nacht zur Herde und holt sich ein Lämmlein, so als Nachtessen. Und dann ist der Wolf jetzt da auf den Fluren von Bethlehem, und dann fragt er sich, was ist denn da heute los? Was ist da für eine Aufregung, und er horcht und er horcht, bis er hört von einem Kind, von einem neugeborenen Kind. Er denkt, uih, ein neugeborenes Kind, das wäre mal was Anderes als immer die langweiligen Lämmer. Das Kind im Stall hole ich mir. Und dann schleicht er sich wieder zurück, und wie es finster und ruhig ist, schleicht er sich an den Stall heran und alle schnarchen und schlafen schon. Nur vom Kind hört er noch einen Krächzer, das Kind ist also noch wach. Er wartet noch ein bisschen, und dann geht er an die Krippe hin und denkt: Ah, jetzt hab‘ ich’s! Er streckt seinen Kopf und macht sein Maul auf, und dann –
streichelt das Kind seine Schnauze und krault ihn hinten am Kopf. Und auf einmal kann er das Kind nicht mehr fressen.
Und noch etwas geht in ihm vor, er merkt auf einmal wie sein Fell aufspringt, sein Wolfsfell zerreißt. Dann fällt ihm das ganze Fell ab, und dann steht da -der Mensch.
Der Pfarrer hat diese Geschichte als Weihnachtslegende gebracht, und die, die dabei war, hat mir erzählt, die Leute waren mäuschenstill. Kein Wort hat er sonst gesagt, weil jeder sieht in diesem Bild die tiefe Wahrheit, wie das Wolfshafte, die Aggressionen und das alles abfällt und wie durch diese Liebe, durch die bedingungslose Liebe, der Mensch zum Menschen wird.
So gibt es diese vielen, vielen Möglichkeiten zum Aufmerksam-Machen auf das Eigentliche, was sich in Jesus erfüllt hat, in der Geschichte, weil gerade das, was IHN erfüllt hat, der Geist Gottes durch IHN in unsere Welt unverlierbar über historische Vergänglichkeiten eingegangen ist.
GOTT GEHT MIT, WORAUF DU DICH VERLASSEN KANNST!